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Pressemitteilung vom 6. Juni 2003

Bayern bald Überwachungsstaat?

MdL Stahl hält geplante Ausweitung von Polizeiüberwachung für gefährlich

 

"Auf dem Weg in den Überwachungsstaat?" lautete die provokante Frage, die der Titel des GAL-Informations-Abends an die grüne Landtagsabgeordnete Christine Stahl stellte. Ihre Antwort: "Die Gefahr in Bayern ist akut – wir stehen kurz davor."

Christine Stahl, Grünen-Fraktionsvorsitzende und Mitglied im Rechtsausschuss des Landtags, bezog sich damit auf konkrete Änderungsvorhaben der bayerischen Staatsregierung für das Polizeiaufgabengesetz. Geplant seien umfassende Möglichkeiten der Polizei zur Überwachung von Telefon, E-Mail oder SMS, die auch solche Bevölkerungsgruppen tangieren, die bisher ein Zeugnisverweigerungsrecht hatten, z.B. Journalisten, Rechtsanwälte, Gefängnisseelsorger, Sozialarbeiter. "Es können also Personen überwacht werden, nur weil ein Verdächtiger irgendwann mal mit ihnen Kontakt aufgenommen hat, warum auch immer", erläuterte Stahl.

Wenig beruhigend sei die vorgesehene Prüfung der Polizeiüberwachung durch einen Richter, denn: "Nach spätestens drei Tagen muss erst ein Richter eingeschaltet werden, und selbst wenn dieser die Rechtswidrigkeit der Überwachung feststellt, können die gewonnen Fakten dennoch von der Polizei weiter verwendet werden."

Christine Stahl warnte vor der aktuellen politischen Tendenz, vor allem in der CSU, Sicherheitspolitik als ein massenhaftes Sammeln von Personendaten zu interpretieren. "Eine Verifizierung ist dann kaum mehr möglich", so Stahl, "wer z.B. einmal als Mitglied einer bestimmten Organisation geführt wird, kriegt diesen Vermerk nicht wieder weg, auch wenn er austritt, oder vielleicht gar nie Mitglied war, sondern Opfer einer Fehlinformation." Dass davon jeder von uns betroffen sein könne, betonte Christine Stahl ausdrücklich: "Das Argument 'ich habe ja nichts zu verbergen' zieht nicht mehr!" Weil der einfache Bürger nicht wisse und auch nicht wissen solle, welche Daten wo geführt werden, könne er sich auch nicht gegen Falschmeldungen wehren.

"Und vor diesem Hintergrund will die CSU die historisch begründete Trennung von Verfassungsschutz und Polizei aufweichen und die Datenbanken aller staatlichen Stellen noch effektiver vernetzen", stellte die Grünen-Politikerin fest. Ein Antrag der CSU, alle Daten der Sozialämter der Polizei zugänglich zu machen, scheiterte nach Worten Stahls zwar vor einiger Zeit auch an den Unions-Ländern im Bundesrat, aber er mache deutlich: "Beim Überwachungsstaat ist die CSU Vorreiter."

Wolfgang Grader, GAL-Stadtrat und Landtagskandidat, hielt es für gefährlich, gerade in der jetzigen Zeit durch überzogene Maßnahmen Ängste zu schüren. "Sicherheitspolitik muss mehr sein als Kriminalitätsbekämpfung", forderte er. Als Beispiel nannte Grader, der selbst Lehrer an einer Hauptschule ist, die tatsächlich überproportionale Kriminalität von Jugendlichen ausländischer Herkunft. "Wenn man aber sieht, dass 20% aller ausländischen Kinder ohne Abschluss die Schule verlassen, dann erkennt man, was eigentlich sicherheitspolitisch gefragt ist: integrative Maßnahmen und sozialpädagogische Betreuung in der Schule, und Zukunftsperspektiven durch Ausbildungsplätze. Einfach wegsperren hilft hier nicht weiter."