Bayern bald Überwachungsstaat?
MdL Stahl hält geplante Ausweitung von
Polizeiüberwachung für gefährlich
"Auf dem Weg in den Überwachungsstaat?"
lautete die provokante Frage, die der Titel des
GAL-Informations-Abends an die grüne Landtagsabgeordnete Christine
Stahl stellte. Ihre Antwort: "Die Gefahr in Bayern ist akut –
wir stehen kurz davor."
Christine Stahl, Grünen-Fraktionsvorsitzende und
Mitglied im Rechtsausschuss des Landtags, bezog sich damit auf
konkrete Änderungsvorhaben der bayerischen Staatsregierung für das
Polizeiaufgabengesetz. Geplant seien umfassende Möglichkeiten der
Polizei zur Überwachung von Telefon, E-Mail oder SMS, die auch
solche Bevölkerungsgruppen tangieren, die bisher ein
Zeugnisverweigerungsrecht hatten, z.B. Journalisten, Rechtsanwälte,
Gefängnisseelsorger, Sozialarbeiter. "Es können also Personen
überwacht werden, nur weil ein Verdächtiger irgendwann mal mit
ihnen Kontakt aufgenommen hat, warum auch immer", erläuterte
Stahl.
Wenig beruhigend sei die vorgesehene Prüfung der
Polizeiüberwachung durch einen Richter, denn: "Nach
spätestens drei Tagen muss erst ein Richter eingeschaltet werden,
und selbst wenn dieser die Rechtswidrigkeit der Überwachung
feststellt, können die gewonnen Fakten dennoch von der Polizei
weiter verwendet werden."
Christine Stahl warnte vor der aktuellen politischen
Tendenz, vor allem in der CSU, Sicherheitspolitik als ein
massenhaftes Sammeln von Personendaten zu interpretieren. "Eine
Verifizierung ist dann kaum mehr möglich", so Stahl, "wer
z.B. einmal als Mitglied einer bestimmten Organisation geführt
wird, kriegt diesen Vermerk nicht wieder weg, auch wenn er austritt,
oder vielleicht gar nie Mitglied war, sondern Opfer einer
Fehlinformation." Dass davon jeder von uns betroffen sein
könne, betonte Christine Stahl ausdrücklich: "Das Argument
'ich habe ja nichts zu verbergen' zieht nicht mehr!" Weil der
einfache Bürger nicht wisse und auch nicht wissen solle, welche
Daten wo geführt werden, könne er sich auch nicht gegen
Falschmeldungen wehren.
"Und vor diesem Hintergrund will die CSU die
historisch begründete Trennung von Verfassungsschutz und Polizei
aufweichen und die Datenbanken aller staatlichen Stellen noch
effektiver vernetzen", stellte die Grünen-Politikerin fest.
Ein Antrag der CSU, alle Daten der Sozialämter der Polizei
zugänglich zu machen, scheiterte nach Worten Stahls zwar vor
einiger Zeit auch an den Unions-Ländern im Bundesrat, aber er mache
deutlich: "Beim Überwachungsstaat ist die CSU Vorreiter."
Wolfgang Grader, GAL-Stadtrat und Landtagskandidat,
hielt es für gefährlich, gerade in der jetzigen Zeit durch
überzogene Maßnahmen Ängste zu schüren. "Sicherheitspolitik
muss mehr sein als Kriminalitätsbekämpfung", forderte er. Als
Beispiel nannte Grader, der selbst Lehrer an einer Hauptschule ist,
die tatsächlich überproportionale Kriminalität von Jugendlichen
ausländischer Herkunft. "Wenn man aber sieht, dass 20% aller
ausländischen Kinder ohne Abschluss die Schule verlassen, dann
erkennt man, was eigentlich sicherheitspolitisch gefragt ist:
integrative Maßnahmen und sozialpädagogische Betreuung in der
Schule, und Zukunftsperspektiven durch Ausbildungsplätze. Einfach
wegsperren hilft hier nicht weiter."
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