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Appell der GAL Bamberg, verabschiedet beim GAL-Plenum am 8.11.01

Spirale von Gewalt und Gegengewalt durchbrechen - kein Militäreinsatz der Bundeswehr in Afghanistan

 

Eine offensichtlich erfolglose Kriegspolitik darf nicht aus strategischer Ratlosigkeit einfach fortgesetzt werden. Notwendig ist in der jetzigen Situation der Mut, eine falsche Strategie aufzugeben und endlich die Spirale von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen. Eine Beteiligung Deutschlands am Krieg in Afghanistan lehnen wir ab.

Wir fordern die Mitglieder des Bundestags, insbesondere die GRÜNE Bundestagsfraktion, auf, gegen den geplanten Militäreinsatz der Bundeswehr zu stimmen. Bei einer Entscheidung der Bundestagsmehrheit für einen Bundeswehreinsatz in Afghanistan ist eine Fortsetzung der grünen Regierungsbeteiligung nicht aufrechtzuerhalten.

 

Unstrittig ist: Die Terrorakte von New York und Washington und der dabei begangene Mord an Tausenden von Zivilisten waren abscheuliche Verbrechen. Die Kriminellen, die diese Verbrechen begangen haben, und deren Unterstützer müssen gefunden, vor Gericht gestellt und bestraft werden.

Terrorismus-Bekämpfung ist Sache der (internationalen) Justiz

Für die Verfolgung der Täter und die Ahndung ihrer Taten sind folgende Kriterien zu beachten:

  • Für die Verfolgung von Verbrechern und die Ahndung ihrer Straftaten sind Polizei und Justiz zuständig. Da es sich bei den Gesuchten um international tätige und vernetzte Kriminelle handelt, ist die internationale Gemeinschaft (primär also die UNO) gefordert. Die – bislang maßgeblich von den USA verhinderte – Einrichtung eines internationalen Gerichtshofs ist hierfür unerlässlich.

  • Für eine evtl. notwendige militärische Unterstützung polizeilicher Maßnahmen gegen die mutmaßlichen Täter müssen folgende Bedingungen eingehalten werden: Sie müssen angemessen, zielgerichtet und ohne Gefährdung unschuldiger Zivilpersonen durchgeführt werden.

  • Maßnahmen gegen den Terrorismus dürfen nicht den Werten widersprechen, die mit diesen Maßnahmen verteidigt werden sollen: Humanität, Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit.

Weltweite Ungerechtigkeiten als Nährboden für den Terrorismus beseitigen

  • Eine langfristig wirksame Bekämpfung des Terrorismus kann nur dann gelingen, wenn sie Maßnahmen gegen all jene Missstände beinhaltet, aus denen die Terroristen den Schein der Legitimität und die – manifeste oder verdeckte – Unterstützung ihrer Aktionen in vielen Ländern ziehen können. Dazu gehören: die ungelöste Palästinafrage; die militärische Präsenz der USA in Saudi-Arabien, dem Land der heiligen Stätten des Islam, zum Schutz eigener ökonomischer Interessen (Öl); das die Länder der sog. "Dritten Welt" benachteiligende System des Welthandels; die im Zeichen neoliberaler Globalisierung der Weltwirtschaft feststellbare Zementierung der Kluft zwischen den reichen Ländern des industrialisierten Nordens und der armen Länder des Südens.

Krieg schafft Unmenschlichkeit und keine Sicherheit vor Terrorismus

Die Bombenangriffe der USA auf Afghanistan werden all diesen Kriterien nicht gerecht. Die militärische Reaktion der USA ist unangemessen, weil sie ihr vorgebliches Ziel, die Ergreifung und Bestrafung der Terroristen, nicht erreichen kann, sondern die Zivilbevölkerung eines der ärmsten Länder der Erde trifft. Der Krieg in Afghanistan ist kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus, sondern er fördert vielmehr eine Solidarisierung mit den zu bestrafenden Terroristen. Zudem birgt er das Risiko weiterer terroristischer und kriegerischer Eskalation in sich. Ganze Weltregionen können destabilisiert werden und neue Krisenherde entstehen.

Deshalb fordern wir:

  • einen sofortigen Stopp der Bombenangriffe auf Afghanistan,

  • umfassende – falls notwendig: militärisch geschützte - Hilfsmaßnahmen für die afghanische Zivilbevölkerung unter Leitung der UNO.

Wir fordern die Bundestagfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und die von ihr gestellten BundesministerInnen nachdrücklich auf, die Politik der Bundesregierung in diesem Sinne zu beeinflussen.

 

Es gibt Alternativen zum Krieg in Afghanistan

Es bedarf einer entschlossenen und international koordinierten Anstrengung, um terroristische Gruppen strafrechtlich zu verfolgen und weitere Terroranschläge zu verhindern. Hierzu müssen alle zur Verfügung stehenden polizeilichen, politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Mittel unter Beachtung rechtsstaatlicher und völkerrechtlicher Grundsätze genutzt werden. Die auch von der Bundesregierung unterstützte politische und finanzielle Isolierung des Taliban-Regimes ist ein Schritt in diese Richtung. Die diplomatischen, humanitären, polizeilichen und präventiven Aktivitäten gegen den Terrorismus müssen gegenüber den militärischen eindeutig Vorrang haben.

Für die weitere Bekämpfung des Terrorismus fordert die GAL deshalb die Beachtung der oben angeführten Kriterien und folgende mittelfristige Maßnahmen:

  • Einsatz einer multilateralen, militärisch unterstützten UN-Polizeitruppe, deren Aufgabe die Ergreifung der Terroristen und die Entwaffnung der konkurrierenden afghanischen Milizen sowie die Schaffung von Schutzzonen für die Zivilbevölkerung ist;

  • Einsetzung eines internationalen Gerichtshofs für ein Gerichtsverfahren gegen die Terroristen und ihre Unterstützer;

  • Einsetzung einer afghanischen Interimsregierung, die alle ethnischen und politischen Gruppierungen berücksichtigt und die Interessen v.a. der afghanischen Frauen besonders berücksichtigt;

  • Verzicht auf die finanzielle und/oder militärische Unterstützung fundamentalistisch-terroristischer Gruppen und Regimes, von denen man sich kurzfristigen Nutzen (in der Vergangenheit: Irak, UCK, Taliban, heute: Nord-Allianz, Pakistan) verspricht.

Längerfristig wird es nur dann möglich sein, die Ursachen des Terrors zu bekämpfen, wenn eine neue Weltwirtschaftsordnung geschaffen wird, die Ernst macht mit dem Kampf gegen Armut und für eine gerechte Verteilung der Ressourcen sorgt.

Für den GAL-Kreisverband
Wolfgang Grader, Vorstand

Für die GAL-Stadtratsfraktion
Ursula Sowa, Fraktionsvorsitzende